"Leonid Breschnew – unbedeutender Politiker in der Epoche von Alla Pugatschowa", so hieß es in einem russischen Witz der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Das zeigt sehr deutlich, welche Bedeutung diese Sängerin in der damaligen Gesellschaft hatte. "Primadonna", "unsere Göttin", "Ikone" - so wird die 60jährige schon seit Jahren in Russland genannt.

Der Stern von Alla Pugatschowa (geb. 1949) ging in den 70ern auf und überragt seit 40 Jahren am russischen Pop-Himmel alle anderen Berühmtheiten, die in ihrer Nähe zu kleinen Sternchen mutieren. Sie hatte die brave sowjetische Popszene revolutioniert, indem sie mit neuen Darstellungsformen und Rhythmen experimentierte.

Ihr Durchbuch kam 1975 mit dem Lied "Harlekin". Aus einer Geschichte von einem Pausenclown, der zutiefst unglücklich ist und trotzdem jeden Abend das Publikum zu amüsieren hat, machte Pugatschowa ein tragisches musikalisches Theaterstück. Sowas kannte man bis dahin in der Sowjetunion nicht. Zum ersten Mal gab es in einem sozialistischen Land eine Sängerin, die nicht einfach einen Song runterspulte, sondern seinen Inhalt spielte und eine Bühnenshow anbot. Es war ein grandioser Erfolg und ein Skandal. Alla wurde die erste Frau auf der sowjetischen Bühne, die schräg und unkonventionell war. Ihre Kleider waren ungewohnt extravagant, ihr Leben voller Skandale. Vier ihrer Ehen sind gescheitert, ihr letzter Mann war 20 Jahre jünger als sie.

Seit den 70ern hat Pugatschowa alle denkbaren Preise abgeräumt, alle berühmten Komponisten Russlands haben für sie Songs geschrieben, die größten Konzertsäle des riesigen Landes hat sie immer wieder gefüllt. Alla Borisowna (wie man sie mit großem Respekt heute nennt) ist ein einzigartiges Phänomen in der russischen Pop- und Rockkultur. Was macht ihren Zauber aus? Wie schafft sie es, ihr Publikum mit nur einem Takt eines Liedes so in ihren Bann zu ziehen, zu magnetisieren, dass es schon an Massenhypnose grenzt? Denn ihre Stimme ist zwar sehr kraftvoll und ausdrucksstark, jedoch gibt es bestimmt viel schönere. Ganz davon abgesehen, dass im Laufe der Jahre ihre Stimme viel tiefer und weniger sanft geworden ist.

Das Geheimnis ihres phänomenalen Erfolges liegt weniger in ihrer Stimme als in ihrem großen schauspielerischen Talent und in der erbarmungslosen Ehrlichkeit ihrer Kunst. Denn jedes Lied von Pugatschowa ist ein kleines Theaterstück, in dem sie immer wieder mit der Protagonistin ihres Songs zu verschmelzen scheint und so das Gefühl vermittelt, alles über sich auf intimste Art zu erzählen. Und so können sich Millionen russischer Frauen mit ihr identifizieren. Mal ist sie wahnsinnig verliebt und voller Zuversicht, möchte der ganzen Welt über ihr Glück erzählen, mal wieder von einem geliebten Menschen verlassen, müde, desillusioniert, enttäuscht, mal einsam, mal von guten Freunden umgeben; mal trifft sie unerwartet eine neue Liebe, mal bleibt sie alleine zurück. Doch egal was passiert, sie bleibt immer stark.

Jede Russin erkennt in einer von diesen Phasen sich selbst. "Ich gebe einen Schrei von mir, doch als Antwort höre ich nur Stille. Wieder bin ich allein. Eine starke Frau weint am Fenster", heißt es in einem ihrer Lieder (s.rechts). Und ihre (überwiegend) weiblichen Zuhörerinnen weinen, nicken und singen mit. Pugatschowa hat es geschafft, etwas in jeder Frau zu berühren, sie anzusprechen. Für jeden Moment im Leben einer russischen Frau gibt es ein passendes Pugatschowa-Lied. Lässt sie wirklich das ganze Land an ihrem Leben teilhaben? Sind all diese Lieder eine öffentliche Beichte, geht es wirklich um Alla, mit ihren Scheidungen und Skandalen, oder sind das "nur" gut komponierte Songs? Das bleibt das große Geheimnis der Primadonna.

Seit Ende 2009 ist Pugatschowa mit ihrem Abschiedstournee in Russland und im Ausland unterwegs, denn ihre Fans, die auch älter geworden sind, leben inzwischen auch in Deutschland, USA oder Israel. "Ich verabschiede mich vom Singen, aber nicht von Euch", verspricht sie ihrem Publikum. Und das ist auch gut so, denn schon lange ist sie viel mehr als eine Sängerin, sondern eine Art Psychotherapeutin für viele starke russische Frauen, die so oft ein schweres Los haben, allein erziehende Mütter sind, genau so wie Alla, verlassen von schwachen Männern. Was würden sie ohne sie tun?

Auf dem Foto rechts - Alla Pugatschowa im Jahr 2001 mit den Staatsmännern von Russland, Weißrussland und der Ukraine

• Die eigene Radiosendung der Sängerin "Radio Alla"
• Offizielle Seite von Alla Pugatschowa mit den Songtexten all ihrer Lieder.